
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte allein im Jahr 2020 weltweit mehr als 19 Millionen Krebsneuerkrankungen – Tendenz steigend. Knapp 10 Millionen Menschen erlagen im gleichen Jahr den Folgen einer Krebserkrankung.
In Deutschland sind in 2022 vorrausichtlich 510.000 Menschen an Krebs erkrankt. Im Vergleich zu 2018 (498.000 Erkrankungen, Sterbefälle 229.065) ist dies eine leichte Steigerung. Die Ursache dürfte aber auch in der gestiegenen Lebenserwartung liegen.
Vor 1980 starben mehr als zwei Drittel aller Krebspatienten an ihrer Krebserkrankung. Heute kann mehr als die Hälfte auf Verlängerung der Lebenszeit und manchmal auch auf Heilung hoffen.
Statistischen Erhebungen zufolge lebten im Jahr 2018 in Deutschland insgesamt etwa 1,6 Millionen Krebskranke, deren Diagnose nicht länger als fünf Jahre zurück lag. Die Gesamtbevölkerung liegt in Deutschland bei etwa 83 Millionen Menschen.
Die Therapie von Tumorerkrankungen erfolgt in Deutschland und auch weltweit nach Leitlinien, die von den medizinischen Fachgesellschaften verbindlich festgelegt werden, insbesondere für die sogenannte Erstlinientherapie, das heißt die erste Therapie, die nach Diagnose verabreicht wird. Liegt bereits ein metastasierter Tumor vor, kann in begründeten Fällen von den Leitlinien abgewichen werden und es können sogenannte Off-Label Therapien angewendet werden.
Statistisch hat ein Patient eine ca. 50 – 60 prozentige Chance die ersten 5 Jahre nach Einsetzten der Therapie zu überleben. Das ist nicht besonders viel. Allerdings ist dies eine Mittelwert über alle Tumore, das heißt bei einigen Erkrankungen ist die Gesamtüberlebenszeit größer, bei andren geringer. Die Aggressivität des Tumors spielt hier eine bedeutende Rolle.
Betrachtet man die Sterbefälle im Einzelnen, könnten man eventuell vermuten, dass es ein Gefälle zwischen arm und reich gibt. Erkrankungen in Entwicklungsländern dürften aufgrund des schwierigen Zugangs zu Medikamenten zu einer höheren Sterblichkeit führen. Dies ist sicherlich richtig. Andererseits könnte man vermuten, dass in reichen Ländern die Therapierfolge besser sind. Auch das ist richtig, aber es lässt aufhorchen, wenn man erfährt, dass selbst sehr reiche Menschen trotz aller Anstrengungen an Tumoren sterben, wie man fast täglich aus der Presse erfährt. Untersucht man diese Fälle näher, so zeigt sich, dass die Patienten überwiegend nach klassischen Leitlinien behandelt wurden und vor allem ein dauerhaftes Therapiemonitoring fehlte.
Leitlinien heißt, dass alle Patienten mit z.B. Magenkrebs nach den gleichen Leitlinien behandelt werden, sicherlich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Vereinfacht könnte man das als „Gießkannenprinzip“ bezeichnen. Schaut man sich aber mit den heute verfügbaren Methoden der Molekularbiologie und Biochemie die Magenkrebspatienten genauer an, so sieht man, dass keiner dieser Tumore mit einem anderen aus dieser Gruppe identisch ist. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach einer individuellen personalisierten Therapie. Das bedeutet, dass man mit den modernen Methoden der Molekularbiologie die vom Tumor individuell genutzten Stoffwechselwege ergründet und hier Zielstrukturen findet, die sich mit zugelassenen Medikamenten blockieren lassen. Man sucht also nach der Achillesferse des Tumors. Im Rahmen einer individualisierten Therapie werden dann bestimmte Zielstrukturen angegriffen und blockiert. Zielstrukturen sind zum Beispiel Knotenpunkte im Nachrichten-System des Tumors, auch Rezeptoren genannt, die eine Nachricht aufnehmen und dann weiterleiten, vergleichbar einem Telefonsystem. Diese Rezeptoren bestehen individuell aus jeweils sehr komplexen Proteinen, die durch ein passendes Medikament blockiert werden. Die Anzahl dieser Ziel-Proteine wird nun in Beziehung gesetzt zur Anzahl der blockierenden Moleküle, so dass die Dosis der Medikamente gerade zur Blockierung der Rezeptoren reicht um Nebenwirkungen möglichst gering zu halten.
Dies wurde zum ersten Mal sehr erfolgreich bei Leukämie durchgeführt. Das Medikament Glivec (Imatinib) blockiert bestimmte Rezeptoren, die bei der chronische myeloischen Leukämie (CML) vermehrt gebildet werden und in den Stoffwechsel dieses Tumors eingebunden sind. Ein anderes Beispiel ist das Herceptin (Trastuzumab), welches individuell den Rezeptor ERBB2 im Stoffwechsel von Brusttumoren blockiert. Der Erfolg der Therapien lässt sich an der wesentlich gesteigerten Gesamtüberlebensrate ablesen.
Man könnte nun meinen, dass eine einfache Bestimmung der von Tumoren genutzten Rezeptoren und deren medikamentöse Blockierung das Tumorproblem lösen kann. Dem ist leider nicht so. Tumore haben ein Eigenleben vergleichbar von Individuen, die sich ein Netzwerk aus Kommunikation, Energiebeschaffung, Sensorik und Produktion aufbauen.
Damit reagieren sie auf Einflüsse innerhalb des Körpers aber auch auf Einflüsse von außen. Klassische Tumormedikamente wie zum Beispiel Platin-Verbindungen provozieren in den überlebenden Tumorzellen sofort Schutzmechanismen, auch Resistenzen genannt. Darunter fällt zum Beispiel das Ausschleusen von Medikamenten, indem diese an Transportproteine (ABC-Transporter, Ligasen etc.) gekoppelt werden und so aus der Tumorzelle entfernt werden. Oder die Tumorzelle nutzt als Antwort auf die Therapie parallele Stoffwechselwege, gegen die das eingesetzte Medikament nicht hilft. Dies ist vergleichbar der Situation im Straßenbild einer Stadt: wird die Hauptstraße durch ein Hindernis blockiert, wird der Verkehr über eine Nebenstraße umgeleitet.
Anforderungen an einen Krebstest:
- Ein analytisches System, welches „Haupt- und Nebenstraßen“ im Tumorstoffwechsel erkennt und mit einem entsprechenden kombinierten Therapievorschlag potentielle Ausweichmöglichkeiten des Tumors blockiert.
- Ein System welches die Menge und den Einfluss von Transportproteinen korreliert mit der Menge an Zielstrukturen. Anders ausgedrückt: Um eine bestimmte Anzahl von Zielstruktur-Proteinen zu blockieren wird eine bestimmte Menge an Medikament benötigt. Dieses Medikament steht nun im Wettstreit mit Transportproteinen, die es aus der Tumorzelle entfernen wollen. Eine Rechnung muss nun durchgeführt werden, welches drei Größen miteinander korreliert:
- Anzahl der Zielproteine im Rezeptor bzw. Target
- Anzahl der Moleküle im Medikament zur Blockierung der Zielproteinen
- Anzahl der Transportproteine, welches die Moleküle des Medikamentes aus der Zelle entfernen.
Da die Anzahl der Moleküle etwas schwierig zu bestimmen ist, hilft man sich mit dem Gewicht oder auf Umwegen mit der Expression der Moleküle, die über RT-PCR ermittelt wird. Darüber gleich mehr.
Als Ergebnis kann sich durchaus ergeben, dass zwar eine interessante Zielstruktur bzw. ein Rezeptor identifiziert wurde, den man mit zugelassenen Medikamenten blockieren kann, anderseits aber die hohe Anzahl der Transportproteine dazu führt, dass das Medikament sofort aus der Tumorzelle ausgeschleust wird.
Ein Tumor kann Veränderungen auf min. vier Ebenen bewirken:

Unter Genom versteht man abstrakt gesehen die Gesamtheit aller Gene. Man kann das Genom anschaulich auch als generelle Sammlung von „Betriebsanweisungen“ für alle Funktionen im Körper bzw. der Körper-Zelle ansehen. Eine humane Zelle enthält ca. 25.500 Gene oder Betriebsanweisungen oder Bauanleitungen. Wie im täglichen Leben sind Kombinationen von Anweisungen und Interpretationen etc. möglich, so dass der tatsächliche Informationsgehalt wesentlich höher liegt, als die 25.500 Gene vermuten lassen.
Wenn nun in der Zelle Bedarf für die Herstellung einer bestimmten Substanz, zum Beispiel eines Proteins besteht, sucht sich die Zelle im Genom die für die Herstellung benötigte Betriebsanweisung bzw. das Gen aus und kopiert diese Anweisung in Form einer sogenannten mRNA in das Transkriptom. Wenn zum Beispiel eine Tumorzelle für ihr Nachrichtensystem den Rezeptor („Empfänger“) EGFR benötigt, sucht sie gezielt im Genom nach der Bauanleitung und kopiert diese in ihr Transkriptom. Von dort wird die Bauanleitung an die Proteinfabrik gegeben und das fertige Produkt im Proteom registriert.
Unter dem Transkriptom versteht man also die Gesamtheit aller für unterschiedliche Zwecke benötigten und somit „abgelesener“ Gene (bestimmte Betriebsanweisung) zu einer bestimmten Zeit unter bestimmten Bedingungen, das heißt von der DNA in mRNA umgeschriebenen Gene.
Das Proteom umfasst die Gesamtheit aller Proteine in einer Zelle zu einer bestimmten Zeit unter bestimmten Bedingungen.
Die im Proteom verfügbaren Proteine bewirken nun zum Beispiel als Enzyme in der Zelle die Umsetzung von Zuckern zur Gewinnung von Energie oder den Aufbau von Hormonen zwecks Nachrichtenübermittlung.
Die Gesamtheit der niedermolekularen Stoffwechselprodukte in der Zelle wie Zucker, Aminosäuren, Hormone, Fettsäuren etc. zu einer bestimmten Zeit unter bestimmten Bedingungen wird Metabolom genannt.
>>> Das Zusammenwirken dieser vier Ebenen erzeugt den Phänotyp oder das Erscheinungsbild. Dies umfasst in der Genetik die Menge aller Merkmale eines Organismus. Es bezieht sich nicht nur auf morphologische, sondern auch auf physiologische Eigenschaften und ggfs. auf Verhaltensmerkmale.
Zusammenwirken auch deshalb, da das System nicht nur hierarchisch von Oben nach Unten verläuft, sondern Rückkopplungen und Veränderungen bis in das Genom möglich sind als Anpassung an externe Prozesse. Diese Anpassungen werden auch mit dem Begriff der Epigenetik verbunden.
Folgende Techniken und Methoden werden zur Analyse des Tumorstoffwechsels eingesetzt:
Genom | – Mutationsanalyse mittels NGS (Next Generation Sequencing) |
– Mutationsanalyse mittels Pyrosequencing | |
Transkriptom | – mRNA-Mutationsanalyse und darauf basierend Expressionsanalyse |
– RT-PCR Expressionsanalyse und Mutationsanalyse | |
Proteom | – Proteinanalyse mittels Massenspektrometrie |
Metabolom | – NMR- und Massenspektrometrie |
Untersuchungsmaterial bei einem Tumor
- Biopsy / Biopsie
- Der Vorteil: Direkter Zugang zu Tumor oder Metastasen
- Nachteil: Tumore sind sehr heterogene Strukturen, die aus einer großen Anzahl verschiedener Zellen bestehen können, unter denen sich auch nicht-tumoröse Zellverbände befinden können. Bei größeren Organen, die anfangs sehr kleine Tumoren enthalten, ist es schwierig, diese durch eine Nadelbiopsie zu finden.
- „Liquid Biopsy“
- Neben der Biopsie und den bildgebenden Verfahren sind derzeit drei Untersuchungsmaterialien in der Diskussion, die leicht aus Blut, Lymphe, Urin oder Rückenmarksflüssigkeit gewonnen werden können und unter der allgemeinen Bezeichnung „Liquid Biopsy“ zur Tumoranalyse Eingang gefunden haben.
Aus den oben erwähnten Körperflüssigkeiten werden Zellen, Nukleinsäuren (DNA etc.), Exosomen, Proteine und niedermolekulare Substanzen isoliert:
- ctDNA (Circulating Tumor DNA)
- Exosomen (virusgroße Vesikel)
- CTC (Circulating Tumor Cells)
- Proteine, Peptide (z.B. Tumormarker: PSA, AFP)
- Niedermolekulare Substanzen, z.B. Homovanillin (Marker für Neuroblastom)
Circulating tumor DNA (ctDNA)
Man unterscheidet zwischen cfDNA (zirkulierende freie DNA) und ctDNA (zirkulierende Tumor-DNA), die eine Untergruppe der cfDNA ist. Beide finden sich im Blut (Plasma und Serum), in der Lymphe oder auch im Urin.
Der Begriff cfDNA bezieht sich auf frei im Blut zirkulierende DNA, die nicht unbedingt aus Tumorgewebe stammen muss, sondern auch aus normalen Zellen, die z.B. aufgrund einer schweren Infektion abgestorben und in Nekrosen übergegangen sind.
ctDNA-Moleküle hingegen sind DNA-Fragmente eines Tumors. ctDNA wird direkt von absterbenden Tumorzellen freigesetzt.
Um ctDNA-Moleküle in dieser Mischung nachzuweisen, muss man sehr empfindliche molekulargenetische Methoden anwenden. Der Anteil der Tumor-DNA im Blut ist sehr gering. Bei Patienten mit sehr fortgeschrittenen Tumoren (Stadium 4) kann man 5-10 % ctDNA in der zirkulierenden Gesamt-DNA im Plasma nachweisen, die vom Tumor stammt. Bei Patienten im Stadium 1 oder mit Tumorverdacht sinkt die analytisch verfügbare Menge an cfDNA oft auf weniger als 1 % oder ist gar nicht nachweisbar, da sich der Tumor noch in einer kleinzelligen Entwicklungsphase befindet.
Wie kann man kleine Mengen von ctDNA im Pool der cfDNA nachweisen und zuordnen?
Tumor-DNA sollte mindestens eine tumorspezifische Mutation aufweisen, durch die sie von normaler cfDNA unterschieden werden kann und dann als Material für eine vollständige Mutationsanalyse des Tumors dient. Leider treten einige Mutationen sowohl im Tumorgewebe als auch in Nicht-Tumorzellen auf, was die Identifizierung von ctDNA erschwert.
Durch die Verwendung eines Portfolios von Mutationen ist es jedoch möglich, nicht nur Tumor-DNA zu identifizieren, sondern auch empirisch einzelne Tumorarten zuzuordnen. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Menge an ctDNA. Dies ist bei Verdachtstumoren oder bei Tumoren im Frühstadium unterhalb der CT-Nachweisgrenze oft nicht der Fall, da zu diesem Zeitpunkt nur wenige Tumorzellen zerfallen sind und Tumor-DNA freisetzen.
In der folgenden Tabelle sind am Beispiel des Lungentumors NSCLC Mutationen in denjenigen Genen dargestellt, die sich dann Downstream im Transkriptom mit bestimmten Medikamenten verbinden.
Gene | Alteration | Frequency in NSCLC |
AKT1 | Mutation | 1 % |
ALK | Rearrangement | 3–7 % |
BRAF | Mutation | 1–3 % |
DDR2 | Mutation | ~4 % |
EGFR | Mutation | 10–35 % |
FGFR1 | Amplification | 20 % |
HER2 | Mutation | 2–4 % |
KRAS | Mutation | 15–25 % |
MEK1 | Mutation | 1 % |
MET | Amplification | 2–4 % |
NRAS | Mutation | 1 % |
PIK3CA | Mutation | 1–3 % |
PTEN | Mutation | 4–8 % |
RET | Rearrangement | 1 % |
ROS1 | Rearrangement | 1 % |
Es soll darauf hingewiesen werden, dass im klinischen Alltag keine schädlichen Mutationen behoben werden, sondern im durch die Mutation veränderten Signalweg Downstream ein Rezeptor oder ein Protein blockiert wird.
Ein Beispiel ist eine Mutation im BRAF-Gen, die zu einer Hochregulation des MEK-Signalweges führen kann. Klinisch wird nun MEK blockiert, z.B. mit dem Medikament Dabrafenib.
In fernerer Zukunft kann man evtl. ein mutiertes Gen durch die Genschere CRISPR/Cas gegen ein gesundes austauschen. Die Methodik wird in der Natur schon lange genutzt und wurde bei den Archaebakterien entdeckt. Allerdings hat die Natur auch hier Korrekturwege ausgearbeitet.
Mutationen als Auslöser von Tumoren, die dann Downstream mit zugelassenen Medikamenten inhibiert werden können, stellen nur einen geringen Teil behandlungsrelevanter Optionen dar. Ein Beispiel ist die EGFR-Mutation, die immerhin bei 10 – 35 % der Lungentumore auftritt und zu einer vermehrten Expression des EGFR-Rezeptors führt. Das zugelassene Medikament ist z.B. Cetuximab.
Es stellen sich zwei Fragen:
Was schlägt man den verbleibenden 65 – 90 % der Lungentumorpatienten als Medikament vor?
Jean-Yves Douillard et al. haben sich der Frage angenommen und konnten zeigen, dass der Überlebensvorteil durch Medikation mit Cetuximab bei hoher EGFR-Expression, gemessen im Transkriptom (!) nicht nur vom EGFR-Mutationsstaus abhängt. Somit konnten wesentlich mehr Patienten eine effiziente Behandlung mit Cetuximab erfahren, als durch die Leitlinien vorgegeben.
“… The survival benefit associated with the addition of cetuximab to first-line chemotherapy for advanced non–small-cell lung cancer expressing high levels of EGFR is not limited by EGFR mutation status…” [Relationship Between EGFR Expression, EGFR Mutation Status, and the Efficacy of Chemotherapy Plus Cetuximab in FLEX Study Patients with Advanced Non–Small-Cell Lung Cancer.Jean-Yves Douillard, Robert Pirker et al., Journal of Thoracic Oncology (2014) 9 (5):717.
Wie umgeht man die Resistenzentwicklung durch Cetuximab?
Die Transkriptom-Analyse mittels RT-PCR Technik zeigt auch auf, welche Abwehrmechanismen der Tumor bereithält um das Medikament für ihn unschädlich zu machen.
Folglich ergibt eine Expressionsanalyse im Transkriptom „vor Ort“ bessere Vorschläge zu einer Therapie, da sie überwiegend die realen Verhältnisse in der Zelle wiedergibt. Zudem leiten die Ergebnisse direkt über zum Proteom und dem Metabolom.
Daraus ergibt sich, dass die reine Mutationsanalyse, wie sie z. B. von „Foundation One“ (Roche) und vielen anderen betrieben wird, nur selten zu einem Therapievorschlag führt (siehe dort)
Exosomen
Exosomen sind ca. 30 bis 90 nm große Vesikel, die von jeder Zelle produziert und an die Umgebung abgegeben werden. Sie stellen einen effektiven Weg der interzellulären Kommunikation dar, enthalten zahlreiche Informationen der Mutterzelle in Form von RNA, DNA und Proteinen und können diese in konzentrierter Form an die Empfängerzelle weitergeben.
Auch Tumorzellen nutzen Exosomen einerseits als Vehikel zur Entsorgung überflüssiger Zelltrümmer und andererseits zur Kommunikation.
Bei der Isolierung der Exosomen aus Körperflüssigkeiten ergeben sich ähnliche Probleme wie bei der Isolierung von ctDNA. Praktisch jede Körperzelle gibt Exosomen ins Blut oder in den Urin ab. Eine genaue Zuordnung ist nötig: Stammen die isolierten Exosomen von einer gesunden Körperzelle oder von einer Tumorzelle? Dies ist möglich, aber technisch recht anspruchsvoll. Erschwerend kommt dazu, dass manche Tumorzellen Stoffwechselwege von gesunden Zellen für ihre Zwecke kopieren und ausbauen.
Circulating tumour cells (CTC)
Interessanter sind hier in vielerlei Hinsicht die zirkulierenden Tumorzellen, die sich eindeutig zuordnen lassen, und schon von extrem kleinen Tumoren freigesetzt werden. Der kleinste Primärtumor, der CTCs abgab, wurde mit 0,094 mm x 0,094 mm gemessen, sein Volumen wurde mit 0,0004 mm3 berechnet; und seine Produktivität wurde auf 1 CTC pro 30 Minuten geschätzt. Daraus ergibt sich, dass zu einem sehr frühen Zeitpunkt CTC ins Blut- und/oder Lymphsystem abgegeben werden und Auskunft über Tumorspezies, Tumorstoffwechsel und Therapiemöglichkeiten geben können.
Dieser „frühe Tumor“ ist mit den derzeitigen bildgebenden Verfahren nicht nachweisbar. Die CTC enthalten sowohl Tumor-DNA als auch Tumor-mRNA und alle vom Tumor hergestellten Proteine und Stoffwechselprodukte.
Die Isolierung der CTC ist nicht trivial. Ein Milliliter (1 ml) Blut enthält Millionen von Blutzellen (rote und weiße Blutkörperchen, Immunzellen usw.), unter denen sich ein bis fünf zirkulierende Tumorzellen befinden. Die Analyse dieser CTC bietet zurzeit die beste Möglichkeit umfassende Informationen über Tumor und Metastasen zu erhalten, die dann zielgerichtet therapeutisch genutzt werden können.
Tumorzellen unterscheiden sich von gesunden Zellen durch eine etwas andere genetische Aktivität und Ausstattung. Diese macht sich auch in leicht veränderten Strukturen auf der Außenfläche der Tumorzellen bemerkbar. Sogenannte Antikörper sind in der Lage, diese Strukturen zu erkennen und können so zwischen gesunden und Tumorzellen unterscheiden.
Das weitere Vorgehen ist trickreich: Man koppelt die Antikörper an winzige magnetische Partikel (Mikrometergroß, µm) und versetzt die Blutprobe mit diesen „Magnetic Beads“. Die Antikörper fischen nun nach Tumorzellen, binden an diese und können nach 20 – 30 min mittels eines größeren Magneten aus der Probe herausgezogen werden.
Um sicherzugehen, dass es sich in der Tat um epitheliale Tumorzellen und nicht um versprengte gesunde epitheliale Zellen handelt, die von Körperorganen abgeschilfert wurden, werden min. ca. 10 Marker-Gene quantifiziert, die für Tumore typisch sind. Dann wird die Gesamtheit der relevanten genetischen Information der CTC im Transkriptom mittels RT-PCR quantifiziert, im Proteom überprüft und in einen Therapievorschlag eingearbeitet.
Die Anzahl der CTC im Blut kann schwanken, so dass in etwa 5 – 10 % der Proben zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Zellen zu finden sind. Nach einer gewissen Zeit (3 – 6 Tage) ändern sich die Verhältnisse und CTC sind wieder nachweisbar. Die Anzahl der DTZ kann auch durch Chemotherapeutika beeinflusst werden. Daher ist es nicht sinnvoll, die zirkulierenden Tumorzellen auszuzählen.
Die biomolekularen Eigenschaften (Genexpression und Mutation) von Primärtumor und CTC sind zu ca. 90 – 95 % ähnlich.
Eine Biopsie des Primärtumors gibt Aufschluss über den Istzustand des Tumors. Die Genexpressions- und Mutationsanalyse der CTC verbindet die Situation im Primärtumor mit der zukünftigen Entwicklung bis hin zur Ausbildung von Metastasen und deren genetische und phänotypische Neuorientierung, um erfolgreich Kolonien zu gründen, die auf dem Weg dahin nicht dem Immunsystem zum Opfer fallen.